Ich habe meinen Job an einen Roboter verloren

August 2017 | 17 Min. Lesezeit

In Zusammenarbeit mit Vice

Ich habe meinen Job an einen Roboter verloren

Sehen Sie sich einmal um. Wir sind umgeben von zahllosen so genannten intelligenten Geräten wie Smartphones, Smart Watches, smart TVs, intelligenten Zählern, intelligenten Küchenherden und vielem mehr. Hilfsmittel, bei denen uns niemals der Begriff „Intelligenz“ in den Sinn gekommen wäre, werden zunehmend autonomer und entscheiden selbst, ohne dass ihnen der Mensch Weisungen erteilen muss.

Wir Menschen haben diesen technologischen Fortschritt genossen und bislang auch gefördert. Nun aber stehen wir an einem kritischen Punkt und fürchten, dass Geräte, die über künstliche Intelligenz (KI) verfügen, den Menschenals Erfinder der KI, an Intelligenz übertreffen und uns unsere Jobs kosten könnten.

In verschiedenen Bereichen sind wir Menschen der KI bereits unterlegen. Im Juli 2017 besiegte AlphaGo, ein bei Google Deep Mind in London entwickelte Software, überzeugend den menschlichen Weltmeister im Brettspiel Go. Deep-Learning-Algorithmen haben bereits vor einigen Jahren bei Bilderkennungsaufgaben Menschen den Rang abgelaufen. Übersetzungen von einer menschlichen Sprache in eine andere waren einst die Domäne bilingualer Experten. Heute können sie dank neuronaler Sprachmodelle mit bemerkenswerter Präzision von Maschinen ausgeführt werden. Kunst, die einst als rein menschliche Domäne galt, wird allmählich von KI eingenommen, da Algorithmen Zeichnungen in der Art von van Gogh erstellen, dass selbst der Meister Vincent van Gogh stolz gewesen wäre!

Die zunehmende Intelligenz von Maschinen lässt sich nicht verleugnen, und irgendwann einmal werden Maschinen den Menschen in allen Aufgaben übertreffen, von denen man einmal dachte, sie wären ausschliesslich Menschen vorbehalten. In einem im Rahmen des „Programme on the Impacts of Future Technology“ der Oxford Martin School verfassten Bericht wird prognostiziert, dass in den USA in der nahen Zukunft vermutlich 47 Prozent aller Arbeitsplätze durch KI-Systeme ersetzt werden. Der Nobelpreisträger Stephen Hawking befürchtet, dass KI das Ende der Menschheit bedeuten könnte, wie wir sie heute kennen. Ray Kurzweil sagte diese Singularität der Maschinenintelligenz für 2045 vorher, doch Elon Musk, CEO von Tesla und SpaceX, korrigierte dieses Datum auf 2030.

Wenn die Fachgelehrten Recht haben und es unabwendbar ist, dass KI uns als smart humans in der Arbeitswelt ersetzt, was können wir dann dagegen tun? Wie werden wir in Zukunft überleben? Wer bezahlt unseren Lebensunterhalt, wenn wir keine Arbeit mehr haben?

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Wird KI unser menschliches Potenzial freisetzen?

Wenn wir unsere Jobs an KI verlieren, weil wir als Menschen nicht intelligent genug sind, dann können wir unsere Intelligenz doch mithilfe von KI steigern. Schon heute nutzen wir im Alltag intelligente Geräte für Aufgaben unterschiedlicher Art. In gewisser Weise bedienen wir uns bereits einer Fülle intelligenterer Hilfsmittel, um unsere Arbeit zu bewältigen. Der Mensch kennt Werkzeuge und Hilfsmittel seit tausenden von Jahren, als er noch in Höhlen lebte. Wassertopf, Toaster oder Telefon schüchtern uns nicht ein. Warum also sollten wir KI fürchten? Sollten wir sie nicht vielmehr für uns nutzen, um intelligenter zu werden und effizienter arbeiten zu können?

Neuralink, ein von Elon Musk gegründetes Unternehmen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Integration von Mensch und Maschine auf die nächste Ebene zu bringen. Dazu soll ein neuronales Gewebe direkt in das menschliche Gehirn implantiert werden, sodass wir über unsere Gedanken mit einem Computer kommunizieren können.

Vielleicht sollten wir die KI unsere alltäglichen Aufgaben erledigen lassen und uns mit Dingen befassen, die wir schon immer tun wollten, sei es nun Komponieren, Malen oder Gärtnern. Das Ausfüllen von Tabellen mit Zahlen war schließlich noch nie eine menschliche Stärke, also gehen wir am Nachmittag doch lieber ins Freie und überlassen die Buchhaltung der KI. Natürlich können wir die von KI erstellten Berichte später prüfen und uns Sorgen machen über die aufgestellten Finanzprognosen. Aber wir könnten der KI auch die Führung unserer Geschäfte voll und ganz anvertrauen. Wir können sie wichtige geschäftliche Entscheidungen treffen und in unserem Namen umsetzen lassen. Just in diesem Moment führen algorithmische Handelssysteme Milliarden von Transaktionen an Aktienmärkten weltweit aus, ohne dass auch nur ein einziger Mensch daran beteiligt ist.

Ein Roboter mag in einer Restaurantkette beständig und unverdrossen wunderbare Gerichte kochen, aber wenn er damit nicht den Geschmack eines Gastes trifft, kann ein Mensch einschreiten und sich für den Roboter entschuldigen.

Ein medizinisches KI-Diagnosesystem entdeckt eine Krebserkrankung vielleicht akkurater als ein menschlicher Onkologe, die schlechte Nachricht aber sollte wohl besser ein Mensch überbringen. Das ist es schließlich, was uns zu Menschen macht.

Job

Doch wer wird all diesen Luxus bezahlen, dem wir uns gerne hingeben würden, wenn wir keiner echten Arbeit nachgehen, um Geld zu verdienen?

Besteuern wir die KI.

Wir können eine KI-Steuer für Unternehmen einführen, die anstelle von Menschen KI einsetzen, um die Arbeit zu erledigen und Umsatz zu generieren. Mit der KI-Steuer können wir dann Programme für universelle Mindesteinkommen subventionieren, welche die arbeitslosen Menschen unterstützen. In der Theorie ist all dies möglich. Aber wie würde sich ein Mensch fühlen, der weiß, dass ein Roboter seine Brötchen verdient? Werden die Menschen ihre Arbeitszufriedenheit verlieren und ihre Daseinsberechtigung infrage stellen? Noch sind viele Frage unbeantwortet.

Die vielleicht größte Herausforderung für uns Menschen in der Zukunft liegt nicht darin, dass wir von intelligenteren Maschinen überholt werden, sondern darin, den Mut zu haben, etwas anzuerkennen, das intelligenter ist als wir und es für unsere Zwecke zu nutzen. Es ist das menschliche Ego, das wir überwinden müssen.

Dr. Danushka Bollegala ist ausserordentliche Professorin in Computerwissenschaften an der Universität Liverpool.


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